Wetter und Klima

Der Nord-Ost-Passat

Durch die steile Sonneneinstrahlung in Äquatornähe steigen permanent Luftmassen in großer Höhe nach Norden und nach Süden ziehend, die einige Tausend Kilometer nördlicher bzw. südlicher wieder absinken. Am Boden zieht ein permanenter Luftstrom aus dem Norden bzw. aus dem Süden zum Äquator hin um dem aufsteigenden Luftstrom neue Nahrung zu liefern.
 
Würde sich die Erde nicht um ihre eigene Achse drehen, könnte man nördlich des Äquators in der Tat Nordwinde und südlich des Äquators Südwinde beobachten. Tatsächlich aber stellt man nördlich des Äquators Winde aus Nordosten und südlich des Äquators Winde aus Südosten fest. Dies ist eine Folge der Coriolis-Kraft, die auf der Nordhalbkugel Nordwinde nach Osten und Südwinde nach Westen hin ablenkt (auf der Südhalbkugel entsprechend umgekehrt).
 
Die kanarischen Inseln liegen ca. 28° nördlich des Äquators, das entspricht einer Entfernung von ca. 3000 km. Die Inselgruppe liegt damit am Rande jenes Gebietes, in dem die Boden-Luftmassen aus nordöstlicher Richtung kommend in Richtung Äquator ziehen. Auf den Kanaren dominiert also der Nord-Ost-Passat an den meisten Tagen des Jahres die Windrichtung. Da der Nord-Ost-Passat ein Bodenluftstrom ist, reicht er nur bis zu einer Höhe von 1200-1500 Meter.
 
Die Coriolis-Kraft

Dieses Kapitel richtet sich an all diejenigen, die genau wissen wollen, was es mit der Coriolis-Kraft auf sich hat. Jeder hat diesen Begriff schon gehört, aber erklären kann ihn kaum einer; das ist wie bei der Abseitsregel im Fußball. Ich erkläre die Coriolis-Kraft zuerst an einem Beispiel aus dem Alltag, dann komme ich zurück zur Erde.
 
Stell dir vor, du stehst in der Mitte eines sich drehenden Karussells. Du stehst dort sicher, auch wenn du dich um dich selbst drehst. Ein anderer, der am Karussell-Rand steht, hat dagegen schwer zu kämpfen. Er dreht sich schließlich nicht nur um den Karussell-Mittelpunkt, sondern er hat auch eine hohe Umfangsgeschwindigkeit. Die sogenannte Zentrifugalkraft treibt ihn sogar nach außen weg.
 
Jetzt stell dir vor, du springst von der Karussell-Mitte nach außen. Was passiert mit dir? Du springst aus der Ruhe heraus auf einen sich drehenden Karussell-Boden, erfährst also im Moment des Aufkommens eine Geschwindigkeit an den Füßen. Damit dir der Boden nicht unter den Füßen wegrutscht, musst du eine gewisse Kraft aufbringen, nämlich die Coriolis-Kraft. Hast du diese Kraft in Umfangsrichtung aufgebracht, stehst du noch lange nicht fix, denn mit errungener Bodenhaftung versucht dich die Zentrifugalkraft nach außen zu schleudern. Um dies zu verhindern, musst du die sogenannte Zentripetalkraft in Richtung Karussell-Mittelpunkt aufbringen.
 
Obwohl du also nur auf dem Karussell einen Schritt von der Mitte nach außen machst, musst du die Coriolis-Kraft aufbringen, da sich deine Umfangsgeschwindigkeit ändert. Diese Kraft erfährst du bei jedem Schritt auf dem Karussell, bei dem du den Abstand zum Karussell-Mittelpunkt änderst. Was für ein ebenes Karussell gilt, gilt natürlich auch für die Erde als Kugel. Stehst du an einem der Erdpole, so drehst du dich in 24 Stunden einmal um deine Achse, hast aber keine Geschwindigkeit. Stehst du dagegen auf einem Punkt des Äquators, so legst du in 24 Stunden eine Entfernung von ca. 42.000 km zurück. Deine Geschwindigkeit ist 1.670 km/h, also schneller als jedes normale Flugzeug. Gott sei Dank bewegt sich die Luft über dir mit derselben Geschwindigkeit; sonst würde es dir nämlich ganz schön um die Ohren pfeifen.
 
Ein Luftpäckchen, welches sich vom Nordpol zum Äquator bewegt, muss also während seiner Reise eine Ost-West-Geschwindigkeit von 0 km/h auf 1.670 km/h aufbauen. Während du dich bei deiner Wanderung vom Karussell-Mittel zum Karussell-Rand mit den Füßen am Karussell-Boden abstützen kannst, hat die Luft in der Atmosphäre nichts, woran sie sich abstützen kann. Sie wird einfach nach Westen hin abgetrieben, d.h. der Erdboden bewegt sich unter ihr nach Osten weg. Umgekehrt startet ein Luftpaket, das vom Äquator her kommt, mit einer radialen Geschwindigkeit von 1.670 km/h auf seiner Reise nach Norden. Ein paar Kilometer weiter nördlich beträgt die Geschwindigkeit am Erdboden nur noch 1.650 km/h. Das Luftpaket ist also schneller als die Erde unter sich, bewegt sich also nach Osten.
 
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass auf der Nordhalbkugel ein Luftpaket, welches nach Süden strömt, nach Westen abgelenkt wird, während ein Luftpaket, welches nach Norden strömt, nach Osten abgelenkt wird. Demzufolge gibt es nördlich des Äquators hauptsächlich Nordostwinde, also Winde, die aus dem Nordosten kommen. Auf der Südhalbkugel sind die Verhältnisse genau umgekehrt.
Eine kleine Ergänzung für Raumfahrtfans: Warum starten die europäischen Ariane-Raketen eigentlich von Französisch-Guyana aus und nicht irgendwo in Europa, wo sie gebaut werden? Der Grund liegt nicht etwa in der Leere des Atlantischen Ozeans, falls eine Rakete abstürzt, sondern an der Lage von Französisch-Guyana in Äquator-Nähe. Die startende Rakete bekommt nämlich die Umfangsgeschwindigkeit von 1.670 km/h mit auf den Weg, und das spart eine Menge Treibstoff. Aus demselben Grund startet das amerikanische Space Shuttle auch an der Südspitze Floridas, also möglichst nahe des Äquators.